Selbstführung ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit

Die Fähigkeit, für sich selber Verantwortung zu übernehmen und sich selber zu führen, ist aus unserer Sicht eine zentrale Voraussetzung für ein erfülltes Privat- und Berufsleben. Denn wer im Einklang mit seinen persönlichen Werten, Vorstellungen und Zielen lebt, wer bewusst und selbstverantwortlich mit seinen Ressourcen umgeht, läuft kaum Gefahr auszubrennen. Selbstkompetenz ist zudem Voraussetzung, um andere Menschen führen zu können und zählt damit zu den Kernkompetenzen erfolgreicher Leader.

De facto zeigt sich jedoch, dass nur wenige Führungskräfte in deutschen Unternehmen in der Lage sind, sich selber zu führen. Ist es schon um die Mitarbeiterführung nicht zum Besten bestellt, so wird die Luft bei Fragen der Selbstkompetenz noch dünner. Selbst Führungskräfte, die ihre Verantwortung im Hinblick auf die Führung ihrer Mitarbeiter ernst nehmen, tun sich schwer damit, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Möglicherweise fehlt vielen am Ende des Tages einfach die Zeit und Energie, um das eigene Tun zu reflektieren. Wir von Process One sehen hierfür auch noch andere Gründe.

Grund Nummer 1
Die Verantwortung für das Thema Selbstführung wird vielerorts vom Unternehmen an den Manager überantwortet. Die mit jeder Führungsaufgabe einhergehenden Paradoxien, Widersprüchlichkeiten und ungewohnten Situationen muss die Führungskraft mit sich selbst, im stillen Kämmerchen oder in der Freizeit bearbeiten. Und selbstverständlich sollte sie mit einer passenden Lösung an ihre Wirkstätte zurückkehren.

Grund Nummer 2
Das Thema Selbstführung wird in Unternehmen als Beitrag zum Führungs- (und damit auch Unternehmens-) Erfolg eher niedrig bewertet. Ein Investment in diesen Bereich bringt keinen verlässlichen Return on Invest. Mehr noch: In vielen Unternehmen lässt die vorherrschende Wertekultur eine Beschäftigung mit dem Thema Selbstführung schlichtweg nicht zu. Führungskräfte, die Angebote zu dem Thema – so sie denn überhaupt existieren – annehmen, machen sich insgeheim verdächtig und kommen in den Ruf ihren Aufgaben nicht gewachsen zu sein: „Wer einen Coach braucht, hat seinen Laden nicht im Griff.“

Grund Nummer 3
Das Thema Selbstführung wird – wenn es denn überhaupt auf dem Programm steht – eher im methodischen, technischen Bereich angesiedelt. Führungskräfte lernen in diesem Fall, ihre E-Mail-Flut zu beherrschen, den Schreibtisch übersichtlich zu halten, einen persönlichen Arbeitsplan zu erstellen, diesen abzuarbeiten, zu priorisieren und so weiter.

Und dann gibt es Unternehmen, in denen das Thema Selbstführung etwa so behandelt wird: Zu ausgesuchten Management-Meetings werden bekannte Erfolgsautoren, pensionierte Sportler, Mount-Everest-Bezwinger oder Krokodilbändiger eingeladen. Diese erzählen dann aus ihrer Biographie und geben Auskunft über ihre Erfolgsrezepte. Sicher ganz spannend und interessant, aber im Ergebnis ein bisschen zu kurz gesprungen.

Selbstführung heißt …
… sich zunächst einmal über die eigenen Werte im Klaren zu sein. Die Führungskraft muss ihre eigenen Präferenzen kennen und wissen, wie sie ihr Handeln beeinflussen. Sie muss wissen, was ihr in der Zusammenarbeit wirklich wichtig ist und sie muss geeignete Ausdrucksformen dafür finden. Sie muss die Quellen ihrer unternehmerischen Kraft kennen, pflegen und über sie wachen können. Sie muss sich mit der Frage auseinander setzen, wo Ihre Verantwortung beginnt, wo sie ihre natürlichen Grenzen hat und wo die ihrer Mitarbeiter und Kollegen beginnt. Dabei muss sie sich eingestehen dürfen, dass ihre Beobachtungen bei aller Brillianz immer selektiv sind und ihre Bewertungen trotz aller Bemühungen immer subjektiv bleiben. Und – sie braucht Zeit und Raum, um ihre Virtuosität im Umgang mit den Widersprüchlichkeiten des Führungsalltages immer weiter zu verfeinern.

Führungskräfte, die zum Erfolg des Unternehmens beitragen wollen, müssen sich darüber im Klaren sein, was ihren persönlichen Erfolg ausmacht. Dies erfordert eine scharfe Beobachtungsgabe – nicht nur gegenüber anderen, sondern auch und vor allen Dingen –gegenüber sich selbst. Und sie müssen sich erlauben (dürfen), das eigene Handeln ungestraft in Frage zu stellen, sich selbst überhaupt Fragen – idealer weise die richtigen Fragen – zu stellen.

Wenn wir an den „Manager der Zukunft“ denken, so denken wir dabei an jemanden, der diese Aspekte als integrale Bestandteile seiner Profession betrachtet und sie beständig weiterentwickelt. Eine Führungskraft dieser Couleur – so unsere feste Überzeugung – wird von ihren Mitarbeitenden als authentische, integre und klare Persönlichkeit wahrgenommen werden. Man wird ihr aller Wahrscheinlichkeit nach gerne folgen – vorausgesetzt natürlich sie arbeitet in einem Unternehmen, das dies als wertvoll erachtet.

Beitrag von Sandra Eisenmann in unserer Schriftenreihe „SechsSeiten“

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